Beschreibung
In unterschiedlichster Form tauchen Doppelgänger in fiktionalen Erzählungen ab 1800 auf. Und dies nicht zufällig: Denn durch die ihm zu Grunde liegende Struktur der Spaltung und Verdoppelung kann der Doppelgänger zur Refl exionsfigur der modernen Literatur selbst werden. Verfolgt wird diese Struktur als so genannte Doppelgängerfigurationen an drei historischen Positionen. Vor dem Hintergrund der anthropologischen Diskussion um den Leib-Seele-Dualismus treten in Jean Pauls großen Romanen Siebenkäs und Titan leibhaftig verdoppelte wie seelisch gespaltene Figuren auf. Im Zeichen des poetischen Realismus entstehen in Theodor Storms Novellen Spaltungen und Verdoppelungen von Figuren durch mehrfach gerahmte Erinnerungen. In Elias Canettis Prosa löst eine Figurenpoetik der permanenten Verdoppelung die Grenze zwischen Textwelt und Wirklichkeit auf. Dabei wird die Doppelgängerfiguration zugleich in ein ethisch motiviertes Konzept der Verwandlung überführt. An allen drei historischen Positionen vermittelt die Erfahrung des ‚ganzen Menschen‘ die Struktur der Spaltung und Verdoppelung.
Der Autor Thomas Bilda, Studium der Neueren Deutschen Literaturwissenschaft sowie Neueren Geschichte an der Eberhard Karls Universität Tübingen. 2013 Promotion zum Dr. phil., gefördert durch die Landesgraduiertenförderung Baden-Württemberg.