Beschreibung
Ausgehend davon, dass sich in dem, was Gesellschaften als Bedrohung definieren ihr Selbstverständnis, ihr Wertekatalog und nicht zuletzt ihre Exklusivitätsregeln widerspiegeln, widmet die vorliegende Untersuchung sich der Rekonstruktion spezifischer Formen des Wissens über Gefährlichkeit. Mit Fokus auf die sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts formierenden Disziplinen der Kriminologie und Kriminalistik zum einen sowie auf das koloniale Afrikawissen des ausgehenden Jahrhunderts zum anderen, werden mit Stadt und Kolonie zwei exemplarische Gefahrentopoi untersucht, die durch gegenläufige Effekte der Verfremdung jeweils eine Verkehrung von Innen- und Außenperspektiven vornehmen. In der Verknüpfung wissenshistorischer Perspektiven mit poetologischen Fragestellungen werden die sich etwa im Gefahrenwissen der Kriminalistik abzeichnende Verunsicherung der wahrnehmbaren Wirklichkeit mit Darstellungsverfahren und Erzähltechniken deutschsprachiger realistischer Schreibverfahren, u.a. Karl Gutzkows und Wilhelm Raabes, ins Verhältnis gesetzt. Dabei entpuppen sich gerade Gefahrenmilieus, Krisenerfahrungen und Imagination eines unberechenbaren Irrationellen als bevorzugte Orte der Problematisierung von Subjekt- und Wirklichkeitskonzepten wie der Erzielung von Realitätseffekten.
Die Autorin Veronika Thanner studierte Neue deutsche Literatur, Politikwissenschaften und Neuere und Neueste Geschichte in Dresden und Berlin und wurde 2013 an der Humboldt-Universität zu Berlin mit der vorliegenden Arbeit promoviert. Sie ist dort Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für deutsche Literatur.