Beschreibung
Das christliche Abendland hat den Selbstmord verteufelt, die Leichen der Selbstmörder geschändet und ihren Angehörigen übel mitgespielt. Die Heillosen freizusprechen, wie es die hier aufgenommenen Autoren von Seneca über Montaigne, Burton und Hume bis zu Jean Améry und Hermann Burger tun, war bis ins 20. Jahrhundert hinein nicht ohne Risiko. Aber inzwischen ist die Toleranz des Gehenlassens und die „Achtung vor dem Unglück“ (Theodor Fontane) mehrheitsfähig geworden, so möchte man meinen. In seinem abschließenden und neueste Forschungsergebnisse der Suizidologie aufgreifenden Essay „Wider das Herumdoktern an den Notausgängen“ meldet der Herausgeber Zweifel an und warnt vor einem Pyrrhussieg. Zwar sind an die Stelle der Hardliner und Diffamierer des Freitods vielfach seine um die eigene Medienpräsenz besorgten Propagandisten getreten, doch handelt es sich bei diesen ‚Sterbehelfern‘ in der Regel um falsche Freunde, die das Zerrbild der gotteslästerlichen Untat durch ein dubioses Recht auf unangestrengte Entsorgung ersetzen wollen. Das Aufbegehren gegen die Bevormunder der Lebensmüden geht also weiter.
Der Herausgeber Ulrich Horstmann lehrte bis zu seiner Entpflichtung an der JLU Gießen. Als Schwermut-Forscher – Die Untröstlichen (2011), Der lange Schatten der Melancholie (2012) – hat er sich auch in jenen Extremzonen umgetan, in denen der Leidensdruck übermächtig wird und der Gravitationskollaps eines Ich unabwendbar.