Beschreibung
Schon im Mittelalter träumten Wissenschaftler von selbstbeweglichen Fahrzeugen („Automobilen“) und Flugapparaten, und in den volkssprachigen Romanen und Epen, die seit Mitte des 12. Jahrhunderts entstanden, treffen die Protagonisten auf kämpfende Roboter, lauschen Musikautomaten mit singenden Vögeln und bellenden Hunden oder besteigen eine Taucherglocke zur Erforschung des Meeresbodens. Das Faszinosum des Künstlichen und Automatenhaften war beträchtlich, und nicht minder groß war der Reiz, die Lebensbedingungen des Menschen durch technische Erfindungen zu verbessern und Neues zu schaffen, das in der Natur so nicht vorgesehen war. Vieles davon verblieb im Reich der Phantasie, doch brachten Wissenschaftler, Architekten und Handwerker auch eine bemerkenswerte Zahl technischer Innovationen hervor. Sichtbares Zeichen solch mittelalterlicher Erfindungskraft sind bis heute die gotischen Kathedralen, die einen Glanzpunkt mittelalterlicher Bautechnik darstellen. Indem dieser Sammelband vormoderne Visionen, realisierte und nicht realisierbare, in den Blick nimmt, macht er zugleich bewusst, wo die Technikaffinität unserer Gegenwart ihren Ursprung hat.
Inhalt:
Vorwort – S. Petersen: Die Sieben praktischen Künste. Begriff und Konzept der mechanica bei früh- und hochmittelalterlichen Autoren – S. Zielinski: Automaten- und Experimentalkultur in der ersten, arabisch- islamischen Renaissance – U. Friedrich: ,Creatio – imitatio – imaginatio‘: Zu den Grenzen von Natur und Technik in der Literatur der Vormoderne – S. Friede: Die Relation von Mensch und Automat. Beobachtungen zu den ,romans antiques‘ und dem ‚Roman d’Alexandre‘ des 12. Jahrhunderts – C. Buhr: ,dar nâch underkusten sich diu bilde mê danne tûsent stunt.‘ Automaten und Sprechpuppen in der deutschen und französischen Literatur des hohen Mittelalters – B. Burrichter: Technische Wunderwerke in französischen und italienischen Romanen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit – V. Tenge-Wolf: Raimundus Lullus und seine ‚Denkmaschine‘ – S. Bürger: Über den Turmbau zu Babel zwischen Utopie und technischer Machbarkeit – E. Lossin: Automaten in der Frömmigkeitskultur des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit – H. Siebenpfeiffer: Auf den Flügeln der Fiktion – Die Kunst des Fliegens in der Frühen Neuzeit – F. Kleinehagenbrock: Erfindungen – Maschinen – Fabriken – Moderne. Zur Genese der industrialisierten Welt im 18. Jahrhundert – W. Riedel: Künstliche Menschen. Träume und Albträume der europäischen Sattelzeit: Olimpia – The Creature – Homunkulus
Die Herausgeberinnen:
BRIGITTE BURRICHTER hat an der Ruhruniversität Bochum und der Université Lille 3 Französisch und Geographie studiert und mit dem Staatsexamen abgeschlossen. Von 1988 bis 2001 war sie wissenschaftliche Assistentin an der Universität Konstanz, 1994 wurde sie dort mit einer Dissertation zur Artusliteratur des 12. Jahrhunderts promoviert, 2002 habilitierte sie sich mit der Monographie Erzählte Labyrinthe und labyrinthisches Erzählen in Mittelalter und Renaissance. Nach verschiedenen Vertretungsprofessuren erfolgte 2006 der Ruf an die Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Forschungsschwerpunkte sind die französische und italienische Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit; zur Zeit arbeitet sie zusammen mit Joachim Hamm (Germanistik) an einer digitalen Edition des Narrenschiffs von Sebastian Brant und seiner Übersetzungen.
DOROTHEA KLEIN, Studium der Germanistik, Geschichte und Sozialkunde an der Universität Würzburg, 1985 Promotion mit einer Arbeit über die Dramen des Hans Sachs, 1980–1995 Mitarbeiterin in verschiedenen Forschungsverbünden, 1996 Habilitation in Würzburg mit textgeschichtlichen Untersuchungen zur Weltchronik Heinrichs von München, 1998–2000 Vertretung von Professuren in Marburg und Bamberg, 2001–2007 Professorin für Ältere deutsche Literatur an der Universität Kiel, seit Oktober 2007 Professorin für deutsche Philologie an der Universität Würzburg. Forschungsschwerpunkte: Deutsche Literatur des hohen und späten Mittelalters, Editionsphilologie.