Beschreibung
Liebe wird prinzipiell als Übergangsmöglichkeit zu einer anderen Wirklichkeit, als Schwelle zu einer anderen Welt aufgefasst. Derjenige, der an einen geliebten Menschen denkt, denkt auch immer die Welt mit, in der sich die Liebe entfalten kann. Die liebeserklärende Sprachhandlung ist von dem Glauben des Vortragenden beseelt. Wird seiner Liebe entsprochen, so kommen die Liebenden in eine Welt, die ganz anders ist als jene, in der sie bis dahin ohne Liebe lebten. Es ist also kaum überraschend, wenn die Welt in den Diskursformen der Liebeserklärung auf eine Weise konzipiert wird, die uns nicht an das Diesseits, sondern an das Jenseits denken lässt.
Die vielfältigen Darstellungen des Liebestraums in der Literatur zeigen sowohl seinen Zauber, als auch den Abstand zwischen diesem Traum und dem alltäglichen Leben. Die von Liebenden geträumte himmlische Wirklichkeit lässt sich bald als Bild einer illusorischen Welt erkennen. Sie zeigt sich als Produkt menschlicher Einbildung und als verschwommene Widerspiegelung einer Sehnsucht dessen, was unerreichbar ist und was man sich noch nicht einmal genau vorstellen kann.
Der Autor:
Cesare Giacobazzi, Studium der Germanistik und Romanistik (1976–1980); Laurea Germanistik 1980; DAAD Stipendium in Konstanz 1982–1984; Lehrbeauftragter der Universität Konstanz/Saarbrücken 1983–1985; Promotion (Dottorato di Ricerca) 1986–1990: La Trilogia di Danzica di G. Grass (Patron, Bologna, 1993); Wiss. Mitarbeiter (Ricercatore) an der Universität Bologna 1993–2001; seit 2001 Professore associato Università di Modena e Reggio Emilia.