Beschreibung
Die vorliegende Studie untersucht die literaturgeschichtlichen Zusammenhänge der androgynen Autorinszenierung Else Lasker-Schülers in ihren großen Prosawerken der Schaffensperiode 1906–1919. Die umfassende hermeneutische Analyse ist motivgeschichtlich orientiert und zeigt auf, wie Lasker-Schüler mit der Konzeption ihrer literarischen Stellvertreterfiguren Tino und Jussuf an das Androgynie-Ideal der Romantik anknüpft und dieses zugleich in seinem geschlechtlichen Gehalt subvertiert: Nicht mehr die Ergänzung des Männlichen und Weiblichen zum vollkommenen Dichtergenie prägt die Androgynie in Lasker-Schülers Werk, sondern die Inanspruchnahme eines poetischen Ausdrucks über die weiblichen Rollenzuschreibungen hinaus. Denn zu Beginn des 20. Jahrhunderts wird die künstlerisch anspruchsvolle Autorschaft noch immer vorrangig mit Männlichkeit assoziiert. Fundiert wird die literaturwissenschaftliche Untersuchung durch einen grundlegenden Theorieteil, der den Androgyniebegriff unter Einbezug der aktuellen interdisziplinären Geschlechterforschung und unter eingehender Betrachtung des Geschlechterdiskurses um 1900 in seiner Vielschichtigkeit konturiert und so verständlich macht, inwieweit die Androgynie-Konzeptionen Lasker-Schülers gerade nicht ihre weibliche Autorschaft negieren, sondern im Gegenteil diese im Kontext der literarischen Moderne emphatisch verteidigen.
Die Autorin:
Johanna Meixner studierte Deutsche Philologie und Philosophie in Göttingen. Als Stipendiatin des Evangelischen Studienwerks Villigst promovierte sie mit der vorliegenden Schrift in der Neueren deutschen Literatur. Derzeit ist sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für Deutsche Philologie der Georg-August-Universität Göttingen.