Beschreibung
Robert Walsers Buch Seeland (1920) wurde in der literaturwissenschaftlichen Forschung bislang wenig beachtet, obwohl es zu den Hauptwerken Walsers zu zählen ist. Seeland besteht aus sechs langen Erzähltexten, deren Erstdrucke zwischen 1915 und 1917 entweder in Zeitschriften oder – im Fall von Der Spaziergang – als Buch publiziert wurden. Für den Band Seeland hat Walser alle Einzeltexte umfassend, Satz für Satz, überarbeitet, um daraus – in seinen Worten – ein »schönes, wohlgeformtes Buch herzustellen«. Diese komplexen Überarbeitungsprozesse sind bisher nie näher untersucht worden. In einer minutiösen vergleichenden Lektüre der Seeland-Texte mit den Erstdrucken versucht die Arbeit, die Struktur des Buches von innen her näher zu bestimmen. Dabei ergeben sich neue Perspektiven der Interpretation und neue Einsichten in die mediale Vorprägung der Texte beim Wandel von der isolierten Publikation in Zeitschriften hin zum Zusammenspiel aller sechs Texte im Buch. Aus der Selbstrevision eigener Texte entfaltet Walser so ein neues kreatives Potential. Dieses zweistufige Schreibverfahren, das Walser in seiner Bieler Werkstatt entwickelt, wirft auch ein Licht voraus auf sein mikrographisches »Bleistiftsystem« in der Berner Zeit.
Die Autorin:
Dorette Fasoletti studierte Germanistik und Anglistik und wurde 2018 mit der vorliegenden Arbeit an der Universität Lausanne promoviert. Sie arbeitet als freie Übersetzerin und ist seit 2013 Koordinatorin des Doktoratsprogramms in Deutscher Sprach- und Literaturwissenschaft der CUSO (Konferenz der Westschweizer Universitäten).