Beschreibung
Seitdem die transzendenten Sicherheiten durch die Aufklärung verloren waren, spätestens jedoch seit Friedrich Nietzsche, avancierte Dionysos zu einer zentralen Reflexionsfigur und Chiffre der ästhetischen Moderne. Erstmals ist hier eine Betrachtung des Phänomens in der Literatur des expressionistischen Jahrzehnts unternommen, welche aufzeigt, dass – entgegen bisher angenommener Nietzsche-Folgsamkeit – noch ganz andere Einflüsse bedeutsam waren (Antike, Hölderlin, Schopenhauer, Bachofen, Bildkunst, Psychoanalyse), so dass ein eigentümliches Konglomerat gerinnen konnte, welches Nietzsche häufig sogar widerspricht. Die Ambivalenz des Triebes, die Dionysos zumeist ins Metaphysische ausdehnen soll, wird mit egalitären Gemeinschaftswünschen in Vermittlung gebracht. Die Rolle des dionysischen Künstlers erscheint dabei als problematischer Auftrag. Überraschende Ergebnisse und teils völlig neue Details zu Heym, Kafka und Werfel werden präsentiert. Sie dokumentieren letztlich die Überforderung, der sich expressionistische Dionysos-Konstrukte ausgesetzt erkennen – allein Werfel sieht eine (Er-)Lösung.
»Wenn Du mir aber die Mänade mitbringen wolltest, so wäre ich sehr froh.«
(Kafka an Paul Kisch, 1903)
Der Autor:
Steffen Hannig ist Assistant Professor an der Hankuk University of Foreign Studies in Seoul. Er studierte Neuere deutsche Literatur, Linguistik und Religionswissenschaft an der FU Berlin, wo er bei Prof. Dr. Peter-André Alt auch promovierte. Von 2013–2019 war er DAAD-Lektor in Daegu/Korea.