Beschreibung
Das Passagen-Werk hatte Benjamin als große Enzyklopädie oder Archäologie der untergegangenen Epoche konzipiert, jenes 19. Jahrhunderts, aus dem die Moderne entstanden ist; zugleich ist das Passagen- Werk trotz seiner Unvollständigkeit als Summe von Benjamins Denken aufzufassen. Selbst das Motiv der Unabgeschlossenheit wird hier aus verschiedenen Gesichtspunkten reflektiert: Als Unabgeschlossenheit der Geschichte etwa oder in der Form der Zerstückelung, die typisch für die Allegorie ist. Die Selbstreflexion gehört zu den wichtigsten Zügen dieses faszinierenden Lebenswerks, das den eigenen Gegenstand der untergegangenen Epoche selbst in der eigenen Struktur widerspiegelt. Da Benjamin sowohl als Literatur- und Kulturkritiker und auch als literarischer Autor tätig war, ist es angebracht, eine doppelte Perspektive in der Analyse dieser Summe gelten zu lassen und das Passagen- Werk als eine literatur- und kulturkritische Arbeit zu betrachten, die selbst als unvollendetes Kunstwerk aufzufassen ist. In diesem letzten Lebenswerk ist Benjamin tatsächlich zum Thema der unendlichen Kunstreflexion zurückgekehrt, dem er schon eine wichtige Studie über die Frühromantik gewidmet hatte. Allegorie und Ausdrucksthema werden in immer neuen Konstellationen kombiniert und bilden die Physiognomie einer unheimlichen Moderne, aus deren Zügen das Porträt einer post-humanen Epoche zu erkennen ist.
Die Autorin
Barbara Di Noi studierte Anglistik und Germanistik an der Universität Florenz, wo sie 1987 die ›laurea‹ erworben hat. Lektorin an der Universität in Tübingen. Stipendien in Halle und Wien. Promotion über Hoffmann und die Musik. Von 1997 bis 2007 war sie Mitglied der Redaktion von Annuario italiano di Comparatistica von Enzo Caramaschi.