Beschreibung
Die literatur- und ideengeschichtliche Studie gilt dem Krisenbewußtsein Goethes, das seit der Französischen Revolution und dann insbesondere während der ersten drei Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts mit zunehmender Intensität das Weltbild des Dichters prägt und das in der abschließenden Arbeit an der Faust-Tragödie (1830/31) seinen prägnantesten Ausdruck gewinnt. Die Analyse des Dramas zeigt Faust als einen von Goethe prototypisch konzipierten Repräsentanten der Moderne, der einen radikalen Bruch mit der europäischen Überlieferung herbeiführt und der als Weltkolonisator das spezifi sch moderne Projekt der Unterwerfung von Natur und tradierter Kultur in Angriff nimmt. Im Zentrum des geschichtlichen Interesses der Untersuchung steht dann auch Goethes literarische Darstellung des in der Folge der industriellen Revolution sich ausbreitenden „veloziferischen“ Maschinenwesens und der entsprechenden Beschleunigung der Zeit- und Alltagserfahrung. Vor dem historischen Hintergrund ist Goethes Klassikdoktrin zu erkennen sowohl in ihrer Funktion als Krisenreaktion und Therapeutikum wie auch als Gegenentwurf zu der für die Moderne charakteristischen prozessualen Bestimmung der geschichtlichen Zeit und des politischen Geschehens. Gustav Seibt in der Süddeutschen Zeitung: „Die pessimistische Deutung des Faust-Dramas als Diagnose der modernen Welt hat am großartigsten und umfassendsten der Germanist Michael Jaeger in seiner Habilitationsschrift Fausts Kolonie entfaltet. Jaeger liest nicht nur den Faust-Text Szene für Szene und arbeitet dessen immer abgründigere Verzweifl ung heraus; er ordnet die dort symbolisch und allegorisch geleistete Diagnose der Moderne ein ins gesamte Goethesche Alterswerk.“ Eberhard Bahr in German Studies Review: „Wer sich im nächsten Jahrzehnt mit Goethes Faust befasst, wird sich mit diesem im doppelten Sinn des Wortes gewichtigen Buch auseinandersetzen müssen. Daran führt kein Weg vorbei.“ Der Autor Michael Jaeger ist Privatdozent für Neuere deutsche Literatur an der Freien Universität Berlin.