Beschreibung
Vor allem sprechen die Erscheinungstermine von Brechts „Chinesischen Gedichten“ dagegen, sie bloß als Fingerübungen in internationaler Literatur zu nehmen. Die erste Sammlung von sechs Gedichten aus dem Chinesischen wird 1938 herausgegeben, nach dem Ende der stalinistischen Schauprozesse, und danach gibt es die zweite Sammlung mit drei ergänzten Gedichten 1950 nach der siegreichen Revolution von 1949 in China. Es liegt also nahe, sich auf eine Spurensuche nach politischen Inhalten und Bedeutungen zu begeben. Was sich herausstellt, ist ein Verdacht des Beamtensozialistischen bei Brecht, der neben zahlreichen anderen Aspekten in das Zentrum der Analyse rückt. Der Verdacht wird ausgesprochen, ohne dass dieser in Bezug auf das Gesamtwerk weiter verfolgt wird. Das Ergebnis erscheint von Belang für die politische Einschätzung von Brechts gesamter Kunst. Sowohl deren Stellenwert in der DDR wie in der BRD wird berührt, als auch der im Diskurs um die antikapitalistische Kritik generell.