Beschreibung
In den 1980er Jahren wird Sozialgeschichte als Übergangsphase zu einer sogenannten »neosexuellen Revolution« geschildert, die durch Kommerzialisierung und Trivialisierung gekennzeichnet ist. Im Gegensatz dazu erkundet das Buch, wie und ob sich die deutschsprachige Belletristik riskanten Sex im Zeichen von HIV/AIDS als poetisches Mittel zur Schaffung neuer Gesellschaftsformen vorstellt. Darstellungen von Geschlechtsakten in der Gegenwartsliteratur sind der Germanistik nichts Neues. Der Geschlechtsverkehr als linguistisches, poetisches sowie philosophisches Problem ist schon seit langem ein anerkannter Forschungsgegenstand. Was aber in der Forschungsliteratur nach wie vor fehlt, ist eine poetische Antwort auf Bersanis Herausforderung: Desiderat ist eine literarische Neubewertung der Soziabilität auf dem Wege der poetischen Verarbeitung des Begehrens nach Gleichheit und Entwertung von Differenzen. Dabei stellt sich die wichtige Frage, ob die Belletristik der 1980er-Jahre sich angesichts der Risiken in den ersten Jahren der HIV/AIDS Epidemie eine solche queere Soziabilität überhaupt vorgestellt und falls ja, wie sie sich poetisch manifestiert hat. Anhand ausgewählter Texte von sowohl heteroals auch homosexuellen Autor*innen (z.B. Fichte, Jelinek, Morshäuser und Schernikau) setzt sich das Buch mit dem (anti-)gesellschaftlichen Charakter des Geschlechtsverkehrs sowie den poetischen Bedingungen auseinander, unter denen experimentierfreudige Texte Sex in Einklang mit einer recodierten Soziabilität bringen wollen.