Beschreibung
Nach 1945 vermochte die europäische Literatur nicht nur in die schmerzhafte Geologie einer durch die Gewalt von Kriegen und nuklearer und industrieller Verwüstung geschändeten Natur einzutauchen, sondern auch die Wunden, die Ansteckung, die Erinnerung an Katastrophen im Wort selbst aufzunehmen, so dass es zum Ort des Widerstands und des Überlebens einer in ihren natürlich-kulturellen Voraussetzungen neu definierten Natur wurde. Davon ausgehend hinterfragt dieser Band die Umweltstörung als ein Phänomen, welches eine höchst produktive Spannung zwischen der literarischen Sprache und den Katastrophen, die das Gleichgewicht der Umwelt im Laufe des 20. und 21. Jahrhunderts überwältigt haben, erzeugen kann. Dank der Interferenz zwischen den Usurpationen politisch-ökonomischer Macht gegen die Gleichgewichte der Umwelt und dem Wort hat die Literatur mit Poetiken der Kontamination und der Störung experimentiert, welche unerhörte Umweltvorstellungen und Formen des Zusammenlebens unter den Spezies erschließen. Während der anthropozentrische Diskurs über die Darstellung von Mooren- und Sumpfgebieten in der Literatur deren poröse Dimension als unerschöpfliche symbolische Quelle einer mit der romantischen Tradition immer noch verbundenen Ästhetik des Verfallenen und Morbiden betrachtete, werden diese hybriden, feuchten Umwelten im Band anhand zahlreicher Beispiele aus der Lyrik und der Prosa seit 1945 in einem ökomimetischen Sinne (Timothy Morton) erörtert und als semiotische Orte eruiert, wo Störung und Resilienz eine beispiellose Verflechtung zwischen Sprache, Materie und Lebewesen mitbestimmen.