Beschreibung
Adolph Henselt, geboren am 9.5.1814 in Schwabach, war zweifelsohne einer der bedeutendsten Pianisten des 19. Jahrhunderts – seinen Namen nannte man in einem Atemzug mit Chopin, Liszt und Thalberg. Eine damals neuartig-virtuose Klanglichkeit in seinem Spiel und in der Faktur seiner Kompositionen sowie seine eigenartige Persönlichkeit verschafften Henselt diesen außerordentlichen Ruf. Seine aufsehenerregende pianistische Spielart, die im engsten Zusammenhang mit der Setzweise und dem Charakter seiner kompositorischen Werke steht, hatte Henselt in extensiven autodidaktischen Exerzitien in Wien entwickelt. Die Gunst der russischen Zarenfamilie – schon 1839 verlieh ihm die Zarin Aleksandra Fëdorovna den Titel des Hofpianisten – sowie die der musikalischen Zirkel in St. Petersburg ermöglichten es Henselt später, sich durch Unterrichten ein ansehnliches Einkommen zu sichern. Dementsprechend groß war die Schar seiner Schüler, von denen einige im Musikleben Russlands Einfluss gewannen, namentlich Vladimir Stasov, Ivan Nejlisov, Gustav Kross und Nikolaj Zverev. Diesen ist das Fortwirken der Henselt’schen Art und Ästhetik des Klavierspiels zu danken, denn sie lehrten später das Fach Klavier an den beiden bedeutenden Konservatorien des Landes: in St. Petersburg und Moskau. Bei Zverev erhielten unter anderen auch Sergej Rachmaninov, Aleksandr Skrjabin und Aleksandr Ziloti ihre pianistische Grundausbildung. Adolph (von) Henselt starb am 10. Oktober 1889 auf seinem Sommersitz in Warmbrunn in Schlesien. Henselts Position innerhalb der historischen west-östlichen musikkulturellen Beziehungen verweist auf – durch geschichtlich-politischen Entwicklungen für lange Zeit verdeckte – gesamteuropäische Traditionen. Der vorliegende Band umfaßt Studien zum Schaffen Henselts und übergreifenden Forschungen zum westlich-östlichen kulturellen Dialog im 19. Jahrhundert. Henselts Schaffen wird unter verschiedenen Perspektiven beleuchtet: musikhistori- schen, werkanalytischen, rezeptionsgeschichtlichen, biographischen, soziologischen u.a. Berücksichtigt werden auch allgemein- und lokal- bzw. regionalgeschichts-, kunst- und literaturwissenschaftliche sowie kulturpraktische Aspekte.