Sebastian Korndörfer, Autor bei Königshausen & Neumann, darüber wie er zur Idee für seinen Debütroman Man nennt mich Rattenkönig gekommen ist, über seine spirituelle Ausrichtung, die seine Bücher prägen und persönliche Tipps, wenn du als Autor oder Autorin durchstarten willst.
Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Mit neun Jahren begann ich mit dem Tagebuchschreiben, was ich auch heute noch mache. Es ist ein Bedürfnis, den Tag am Abend in der Rückschau festzuhalten. Mit vierzehn konzipierte ich den ersten Roman, mit sechzehn folgten erste Kurzgeschichten und Gedichte.
Wie entstand die Idee zu deinem Debütroman Man nennt mich Rattenkönig?
Mit neunzehn Jahren hatte ich einen sehr klaren Traum, in dem sich eine Ratte in ein menschliches Wesen verwandelte und mit mir sprach. So fasziniert war ich von diesem Traum, dass ich noch in der Nacht aufstand, um die Idee auf Blatt Papier festzuhalten. Es dauerte dann aber noch gute zwölf Jahre vom nächtlichen Traum bis zum fertigen Buch.
Wieso hat das so lange gedauert?
Wie das oftmals mit Lebensträumen so ist, habe ich nach einer anfänglichen Euphorie, die ersten beschriebenen Blätter in einem Ordner abgeheftet, und diesen dann im Regal verstaut. Dann kam einfach das Leben dazwischen: Schule, Ausbildung und Beziehung. Immer gab es aber diesen Gedanken in meinem Hinterkopf: Da ist doch noch eine Idee, die nur darauf wartet, dass du weitermachst. Dann mit siebenundzwanzig Jahren hatte ich wieder einen nächtlichen Traum, in dem mir klar wurde, dass ich doch aus der Romanidee ein Buch machen soll. Die Idee war einfach zu schade, als dass sie nur im Regal verstaubt.
Nachdem du dich entschieden hast, aus der Idee mehr zu machen, wie ging es dann weiter?
Ich entschloss mich also ganz bewusst, einen Roman zu schreiben. Doch verfügte ich noch nicht wirklich über das nötige Schreibhandwerk. Also suchte ich im Internet nach einer Schreibausbildung und stieß auf die Hamburger „Schule des Schreibens“. Sofort wusste ich: Das ist genau das richtige! Ohne große Bedenkzeit begann ich mit den Lehrheften der „Romanwerkstatt“. Zwei Jahre später beendete ich das Schreibstudium erfolgreich und wusste nun viel mehr über Dialoge, Dramaturgie, Genres und Plots.
Was gibst du einem Menschen mit auf den Weg, der wie du eine (Roman-)Idee hat?
Alles beginnt mit einer Idee. Viele Menschen haben Ideen oder auch Inspirationen, machen aber nichts daraus. Entscheide dich zuerst, deine Idee auch umzusetzen. Dann frage dich: Welchen Weg muss ich gehen? Hole dir Mentoren und Coaches ins Boot, oder kontaktiere Menschen, die schon da sind, wo du hinwillst. Wenn du dich entschlossen hast, dann behaupte ich – auch mit der Gefahr, dass ich jetzt esoterisch klinge, aber so war es bei mir –, dass alles dich in deinem Traum unterstützen wird. Immer wieder musste ich auf meiner „Schreibreise“ an das Buch Der Alchemist von Paulo Coelho denken. Dessen Protagonist, der Andalusier Santiago, will seit seiner Kindheit die Welt kennenlernen und träumt von einem Schatz bei den ägyptischen Pyramiden. Er macht sich auf, um den Schatz zu suchen, findet Unterstützer und überwindet viele Hindernisse.
Deine beiden Romane haben eine spirituelle Ausrichtung. Wie bist du dazu gekommen?
In der 13. Klasse des Gymnasiums, etwa ein halbes Jahr vor den Prüfungen, durchlebte ich eine sehr herausfordernde Zeit. Also ging ich auf Reisen und besuchte viele spirituelle Orte, an denen ich intensiv Zen-Meditation praktizierte und Sesshin absolvierte. Unter anderem meditierte ich unter der Anleitung von: Willigis Jäger (Benediktushof in Holzkirchen), Fumon Shoju Nakagawa (Eisenbuch), und Olivier Wang-Genh (Weiterswiller, Frankreich). Als ich eines Tages in Taizé strandete, war ich von den Gesängen der Communauté sehr berührt. Es sind „einfache“ Lieder, die melodisch ins Ohr gehen und deren Texte sich wiederholen. Auch kam ich in Kontakt mit vielen jungen Menschen aus aller Welt. In Taizé machte ich eine sehr persönliche, intensive Gotteserfahrung und fand so zurück zu meinem christlichen Glauben. Mir war schlagartig bewusst: Da ist jemand bei mir, der mich schon immer begleitet hat und mich unendlich liebt. Am Ende meiner zweijährigen Reise überwand ich schließlich meine Krise und schloss das Fachabitur ab, machte danach ganz klassisch eine Berufsausbildung.
Wie stehst du zu anderen Glaubensrichtungen?
Als Christ bin ich offen für alle Weltreligionen und glaube, dass sich der eine Gott in allen Religionen zeigt. Von zahlreichen religiösen Texten aus allen Kulturen bin ich fasziniert: zum Beispiel vom Daodejing, vom Shinjinmei und auch von der Bhagavad Gita. Es ist für mich sehr wichtig einen neugierigen, freundlichen Blick zu bewahren und nicht einen Tunnelblick zu bekommen, der nur noch den einen Glauben gelten lässt.
Wie praktizierst du deinen Glauben?
Ich verstehe meinen Glauben vor allem als täglichen Übungsweg. Immer wieder unterbreche ich meinen Alltag, um Zeit für Stille und Kontemplation zu finden. Beim Abendgebet spreche ich mit Gott über meine Gefühle, Gedanken und was mir den Tag über passiert ist – so wie mit einem besten Freund. Auch besuche ich regelmäßig spirituelle Orte, um mich geistlich aufzutanken. Besonders zu dem benediktinischen Kloster Münsterschwarzach fühle ich mich sehr hingezogen.
Welche Botschaft übermittelst du mit deinen Romanen?
Die Botschaft, dass wir viel mehr sind, als nur unser Gehirn, wie das viele Materialisten glauben. Gerade im ersten Buch Man nennt mich Rattenkönig geht es ja genau darum, dass der Blick eines engstirnigen Naturwissenschaftlers geweitet wird. Unser Sein kennt eben auch eine spirituelle, seelische Dimension.
Worin unterscheidet sich das zweite Buch Die Botin der neuen Zeit zum ersten?
Während das erste Buch geprägt ist vom Kampf gegen einen starken Antagonisten, nämlich gegen Rattus, den Anführer der Ratten, dreht sich das zweite Buch um Kooperation und Freundschaft. Obwohl auch darin die Erde bedroht wird, geht die lichte Kraft der Hoffnung und Vergebung nie verloren, die die drei Ratten Lara, Honara und Hananius ausstrahlen. Diese drei weisen und erleuchtete Wesen sind für mich ein großes Vorbild …
Schreibst du autobiografisch?
Natürlich ist ein geringer Anteil an meinen Romanen autobiografisch. Dennoch schreibe ich überwiegend fiktiv. Als Autor habe ich alle Freiheit der Welt, mit meinen Gedanken Welten zu bauen und erfundene Figuren zum Leben zu erwecken.
Welche Einstellung hast du zu deinen Romanfiguren?
Ich liebe die Persönlichkeiten aller meiner Figuren: Karl Hofstetter für seine Rationalität, sein Kalkül und seine psychische Widerstandsfähigkeit. Ben für seine Empfindsamkeit und Sensibilität. Sara, für ihr Selbstbewusstsein und ihre Zielstrebigkeit. Lisa für ihren Mut nach Indien zu reisen, um dort in einem Ashram zu meditieren. Lara, Honara und Hananius für ihre spirituelle Reife und liebende Güte, mit der sie die Welt sehen. Aber auch meine Antagonisten schätze ich: Rattus für seine Entschlossenheit, für seine Liebe zu seinem unterdrückten Volk, für seine Impulsivität und Charakterstärke. Für den „Herrn der Finsternis“ habe ich Mitgefühl. Er hasst und tut schlechtes, weil er nie Freundschaft und Liebe erfahren hat. Er hat Angst vor Machtverlust und klammert sich an seine Macht. Aber die Welt kann sich nur wandeln, wenn er geht.
Muss man den ersten Roman gelesen haben, um den zweiten zu verstehen?
Obwohl auf den ersten Roman Bezug genommen wird, braucht der Leser, die Leserin diesen nicht gelesen zu haben, um den zweiten zu verstehen.
Was möchtest du deinen Lesern und Leserinnen zum Schluss mitgeben?
Wenn du eine Idee hast, hab doch den Mut sie umzusetzen. Du brauchst dich nicht zu fürchten, ob du zu schlecht bist. Fange einfach an den Weg zu gehen. Und setze einen Fuß vor den anderen. So hat es jeder Autor, jede Autorin bisher gemacht.
Die Botin der neuen Zeit ist soeben erschienen.
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