Vor Kurzem erschien sein neues Buch Goethe und Malta – Rekonstruktion eines unerfüllten Versprechens. Im Gespräch mit K&N gibt der Autor Dr. Thomas Freller tiefere Einblicke in die Thematik.
1. Wie sind Sie selbst zur Thematik Ihres Buchs gekommen?
Im Zuge meiner Vorlesungen / Seminare an der Universität Malta (German Department / Faculty of Arts) kam zwangsläufig auch das Thema der Deutschen Klassik und Goethe in den Focus. In diesem Kontext begann eine, Ende der 1990er Jahre beginnende Erforschung der Beziehungen Goethes zum Malteserorden und dem Ordensstaat.
2. Welche zentralen Erkenntnisse konnten Sie aus Ihrer Beschäftigung mit Goethe und seinen zahlreichen Verbindungen zu Malta gewinnen? Welcher Aspekt hat sich dabei besonders hervorgehoben?
Eine Analyse von Goethes Beziehungen – kultureller und naturwissenschaftlicher Art – zu Malta zeigt, in welch hohem Maß seine uns heute überlieferten literarischen Werke bzw. Niederschriften – hier im Besonderen die “Italienische Reise“ aber auch ein Teil des Briefwechsels – einer Filterung, Auswahl und Glättung unterworfen ist. So erscheinen wesentliche, mit Malta und Maltesern verknüpfte Themen und Ereignisse, die von Reisenden mit ähnlichem Bildungshorizont während ihres mit dem deutschen Dichter zeitgleichen Italien- und Sizilienaufenthalts umfassend beschrieben wurden, in der von Goethe nachträglich massiv redigierten “Italienische(n) Reise“ nicht. Obwohl in diesem Werk noch der Wunsch, auch den Maltesischen Archipel zu besuchen, hinterlegt wird, schien das Profil der mit Malta verknüpften Themen (semitische Sprache, Relikte punischer Kultur, arabische Einflüsse, geistlicher Ritterorden) nicht mit dem klassischen Impetus der Italienischen Reise kompatibel. Inwiefern sich Goethe trotzdem stark für die Geologie, Kultur und Geschichte Maltas interessierte, offenbaren Bekannte und seine Korrespondenzpartner.
3. Welche Rolle spielt Malta (generell) für die wichtigsten Personen der deutschen communitas litteraria in dieser Zeit?
Im 18. Jahrhundert schwankte in der Wahrnehmung deutscher Intellektueller das Image Maltas zwischen Kritik an einem geistlichen Ritterorden als Relikt einer überlebten, „gotischen“ Vergangenheit, Interesse an dem durch neue archäologische Funde auf der Insel geöffneten Fenster auf die punische Kultur und Geschichte und der Möglichkeit, durch die angeblichen punischen Wurzeln der maltesischen Sprache, Einblicke in die bis dato nicht entzifferte phönizische Sprache zu erhalten. Verschiedene deutsche Autoren – etwa Schiller, Ittner oder Vulpius – benutzten darüber hinaus Episoden der Geschichte des Malteserordens als Folien für Dramen, Epen oder Erzählungen.
4. Gibt es noch weitere spannende Anmerkungen zu Ihrem Buch, welche Sie teilen möchten?
Im Zuge der langjährigen Recherche für das Buch fiel mir auf, in welch hohem Maß sich auch Friedrich Schiller für Malta und den Malteserorden interessierte. So arbeitete er etwa fast zwanzig Jahre – bis zu seinem Tod 1805 – an seinem Fragment gebliebenen Drama “Die Maltheser“. Wir wissen darüber nicht zuletzt durch seinen Briefwechsel mit Goethe. Aufgrund seiner Anregung erfolgte die Übersetzung von Vertôts mehrbändiger Geschichte des Malteserordens. Schiller selbst schrieb zu dieser Übersetzung das Vorwort. Das Thema bietet ausreichend Stoff für eine eigene, vielleicht in nächster Zeit in Angriff zu nehmende Monographie.
Das Buch ist im Mai 2024 bei K&N sowohl als Print und als E-Book erschienen. Weitere Informationen finden Sie hier.
Paulina Carl, Mai 2024